Zuckerschnude, Sektperlscher, Tratschweiber und andere Akteure sorgten in der ECV-Prunksitzung für beste Stimmung
Eltville. (chk) – Auch wenn In Eltville ‘nichts Besonderes’ in den letzten Monaten passiert sein soll, spurten die ECV-Akteure die vor sich hin köchelnden Themen Im Stadtgeschehen und In der Kommunalpolitik auf, um sie mit pikanter Würze zu servieren. Und das, ohne die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten, die in der fünften Jahreszeit etwas großzügiger gesteckt sind. Auch ganz und gar unpolitisch sorgten viele Solo-Akteure und Gruppen während der sechsstündigen Prunksitzung mit Reden, Sketchen, Musik, Gesang und Tanz für Heiterkeit und gute Stimmung im vollbesetzten Saal.
Der Eltviller Carneval Verein (ECV) hat wieder einmal mit großem Einsatz die Turnhalle der Freiherr-vom-Stein-Schule für die Saison farbenprächtig und einladend hergerichtet. Am kommenden Samstag findet die zweite Prunksitzung statt.
Sitzungspräsident Matthias Bleul führte nach dem Einzug von Elferrat, Garde, Minigarde und ‘Tanzmariechen’ Nadine Sutschet mit munteren Sprüchen durch die Sitzung, stellte die Akteure auf der Bühne vor und begrüßte zahlreiche Ehrengäste im Saal, darunter auch Bürgermeister Patrick Kunkel, der als Pirat auf die Bühne kam, und den ehemaligen Bürgermeister Bernhard Hoffmann.
Als Harlekin machte Heinz-Günther Haas einen Streifzug durch die politische Landschaft der letzten Monate. Später gab er als ‘Moaster’ mit seinem Enkel Yannick Haas – als ‘Stift’ – einen heiteren Einblick ins Handwerkerleben und die unterschiedliche Sprache der Generationen. Weinkönigin Anna-Maria Mucke erschien als Toilettenfrau in der Bütt. Als erste ‘Klofrau’ dieser Welt, hat sie auf Computer umgestellt, und versicherte: ‘Bei mir, da dürft ihr, wenn ihr müßt.’ Horst Haas, Ernst Charissé und Andreas Michel saßen als Rheinader auf der Parkbank – diesmal vor der neu gestalteten Kulisse des Weinprobierstands – und tauschten bissige Scherze aus, besonders gern über ihre Frauen, über sich selbst und über Meldungen aus den Zeitungen. ’17 Prozent aller Unfälle werden von Besoffenen verursacht!’, verkündet einer von ihnen. Stellt der andere fest: ’83 Prozent der Unfälle werden also von Nicht-Betrunkenen verursacht! Ja, warum bleiben die nicht zu Hause, um unsere Sicherheit zu gewährleisten?’ Matthias Bleul erinnerte an Alfred Giehl, den bislang Vierten im Bunde des ‘Rheinadels’ und Gönner des ECV, der kürzlich verstorben ist. Bleul versicherte: ‘Er wäre stolz auf euch.’ Michael Reuter und Roman Meth beleuchteten in ihrem witzigen Zwiegespräch die Probleme der Winzer, die steigenden Benzinpreise und die Höhen und Tiefen der trauten Zweisamkeit.
Leo Gros, Ehrenpräsident des ECV, trat im blauen Arbeitsanzug als Installateur auf, genauer gesagt: Als Facility Manager. ‘Mein Name ist Leo Knorz und ich bin eine Ich-AG’, stellte er sich vor. ‘Das heißt, daß ich mein Arbeitslosengeld selbst verdiene.’ Seine ‘Knorz FM Deutschland AG’ hatte gut zu tun und als Facility Manager hatte er einiges entdeckt im Rheingauer ‘Bajes’ oder auch im ‘Deutschen Haus’, beispielsweise Leistungsträger unter maroden Leitungen oder hohen Widerstand in zu langen Leitungen. Manchmal werde er auch gerufen, wenn Menschen in ihren Häusern zu gut isoliert seien oder die gefühlte Temperatur kälter als die tatsächliche sei. ‘Und weil die einzigen Emissionen, die uns interessieren, die an der Börse sind, wird das gefühlte Klima in Deutschland bald noch kälter werden’, vermutete der Facility Manager. Mit seinem hintergründigen Polit-Kabarett der leiseren Töne sprach Gros seine große Fan-Gemeinde im Publikum an, die ihn im vergangenen Jahr vermißt hatte. Und Matthias Bleul konnte wieder ausrufen: ‘Sein Vortrag, der war wieder ganz famos – unser Professor Dr. Leo Gros.’
Blick auf Ellfeld
Ein neuer Stern am ECV-Himmel ist der ‘Schulbub’ Maximilian Wenz, der ausgerechnet aus Kidderich kommt. In die Schule geht er immerhin in Ellfeld, dessen Schönheiten er täglich vor Augen hat, zum Beispiel im Neubaugebiet ‘Rosengarten’. Nur ‘Hageloffene’ seien in diesen ‘Karnickelstall’ eingezogen, und die würden jetzt auch merken, daß man in Kidderich ein schöneres Grundstück für das gleiche Geld haben könnte. Auch echte Kultur wird dem Kiddericher in Ellfeld vermittelt: Etwa beim Wandertag zum Steinberg. ‘Wer ändern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein’, stellte der helle Schulbub fest.
Einer der besonderen Glanzpunkte waren wieder die ‘Tratschweiber’ Irmgard Schermer als ‘Berta’ und Irmgard Bleul als ‘Auguste’. Mit einem Würstchen und Brötchenstand plazierten sie sich vor den Weinprobierstand am Rheinufer. Gebäck, das von den 1.717 Plätzchentüten der längsten Plätzchentheke der Welt übrig geblieben war, verkauften sie auch gleich mit. Genüßlich tratschen sie über Ellfeld, zum Beispiel über das 300-Betten-Hotel, das bald entstehen soll – mit schöner Aussicht auf die größte Bausünde der Stadt. Das obere Parkdeck von Herrn Rewe sei aber ein schöner Spielplatz für die Enkelkinder, räumten sie ein. Einiges fehle noch, zum Beispiel eine Treppe und der Meeting Point. Da seien Versprechen, die vor der Wahl gemacht wurden, nicht eingelöst worden. Und erst nach der Wahl! ‘Was da so alles geweckelt, gekunkelt, gebihrert und gemosert wurde …’, wollten Berta und Auguste gar nicht so genau wissen. In Eltville sei ohnehin immer alles das ‘Schönste’ und das ‘Größte’. ‘Bald habbe mir am Steinberg die größte Weinfabrik im Rheingau’, betonte Berta. ‘Und in de Schwalbacher Stroß de größte leerstehende Weinkeller Deutschlands’, ergänzte Auguste. Die brillanten Texte hatte sich wieder Helga Simon ausgedacht und mit den Tratschweibern zusammengestellt.
Der Steinberg war auch eines der Themen, die ‘Rosenkavalier’ Markus Molitor, Vizepräsident des ECV, besang: ‘Jetzt rollen am Steinberg die Bagger, man baut dort mit unserem Geld. Der Koch hat bestellt seinen Acker und fragt nicht: Was kostet die Welt? Ei, horch ma, nix könnt ihn abbringe, noch nicht einmal Strumpf selbst gestrickt. Zum Hessentag haben wir immer, die Frau ganz umsonst hingeschickt.’ Nach der Drehorgelmelodie von ‘Mariechen saß weinend im Garten’ besang er noch andere Eltviller ‘Wunden’: Die Geschäfte in Ellfeld, die eins nach dem ändern zu machen. ‘Die Fußgängerzon’ in der Altstadt, die brauchen wir dann auch nicht mehr, das Teilstückchen da machen wir glatt, dann auf für den Autoverkehr.’
Als Büttenredner war Siegfried Schön, Mitglied des Elferrats, wieder der große Knaller. Zu vorgerückter Stunde lag das Publikum bei seinem Vortrag als ‘Ikea-Geschädigter’ fast unter den Tischen vor Lachen. Seine Erlebnisse vom Stau an der Autobahnausfahrt über die Parkplatzsuche bis hin zum ‘Durchbummeln’ durch den IkeaMarkt mit seiner Frau schilderte er in einer – im wahrsten Sinne des Wortes – unbeschreiblichen Weise, die kein Auge trocken ließ. Und die Anwesen-
den verstanden am Ende bestens, warum er die Nase voll hat von all den nützlichen, zusammenklappbaren ‘Kann-man-immer-gebrauchen-Sachen.’
Tanz, Musik und Show
Im Wechsel mit den Redebeiträgen erlebten die Zuschauer glanzvolle Tanzdarbietungen und unterhaltsame Shows. Der ECV-Tanz-Nachwuchs ist bereits durch die putzige Mini-Prinzengarde gesichert, die von Katja Bleul und Belinda Höber geleitet wird. Der etwas ältere Nachwuchs, die ‘Dance Kids’, werden von Kathrin Wojtek trainiert. Die Mädchen und Jungen beeindruckten mit einer Tanz-Show mit akrobatischen Einlagen. Die rot-weiß gekleidete ECV-Garde legte – unter der Leitung von Bettina Post – einen feschen Gardetanz aufs Parkett und die selben Tänzerinnen präsentierten als ECV-Ballett unter Leitung von Kathrin Wojtek eine glanzvolle Nummer zu einem spritzigen Potpourri. Damit die Zuschauer auch ins Schwitzen kamen, hatte Horst Haas mit seiner Animationsgruppe aus acht weiteren Zwergen und mit Marion Haas als Schneewittchen einen Tanz vorbereitet. Und weil das Publikum nach einer Zugabe verlangte, durfte es noch einmal beim ‘Lassotanz’ vom letzten Jahr mitmachen.
‘Wir sind die Kinder des ECV’, sangen die Knallbonbons unter der Leitung von Belinda Höber und Steffi Liebherr. Belinda Höber und Andy Otte begleiteten die Songs der Kinder auf der Gitarre. Mit fröhlichen Liedern, lustigen Fragen und scherzhaften Antworten unterhielt die Gruppe das Publikum, das ganz begeistert beim letzten Lied ‘Die Vögelein vom Titicacasee’ mitmachte. Mitsingen war auch angesagt bei einer anderen Gruppe, die zum ersten Mal auftrat: Die ‘Sektperlscher’ verbreiteten eine mitreißende Stimmung mit Liedern wie ‘Dschingis Khan’ und ‘Fiesta Mexicana’ und den entsprechenden ‘Outfits’.
Die früheren ‘ECV-Mädels’ Pia Richter, Ute Maurer, Belinda Höber, Birgit Meth und Petra Kirn, zusammen mit Kurt Michael Schardt, kamen diesmal als ‘Zuckerschnude’ mit einem geistreichen Musikprogramm auf die Bühne. Belinda Höber als Super-Nanny an der Gitarre hatte unzählige Fragen ihrer süßen Zuckerschnuden zu beantworten.
Den krönenden Schlußpunkt machte wieder das Männerballett unter Leitung von Bettina Post. Als ‘grazile’ Sambatänzerinnen brachten die Männer einen kräftigen Hauch brasilianischen Karnevals in den Saal, eroberten die Plätze des Elferrats und die Herzen des Publikums. Nach einem Abend mit vielen Glanzpunkten, Applaus, Raketen und dreifach donnernden ‘Eltville Helau’ versammelten sich alle Akteure auf der Bühne. Matthias Bleul und der ECV-Vorsitzende Jochen Hulbert konnten mit den ECV-Akteuren ebenso zufrieden sein wie mit dem Publikum, das jede Darbietung mit Applaus bedachte, mitschunkelte, sang und jubelte und immer wieder Zugaben verlangte.
Quelle: Rheingau Echo