Im Jubeljahr wartet der ECV mit furiosem Mix aus Kokolores und literarischer Fastnacht auf
ELTVILLE. – Fünf mal elf Jahre lang schon ist der Narr in Altavilla in seiner Rede frei. Drum schunkelte einmal mehr zur Prunksitzung in diesem Jahr die Burg heftig. Zum Auftakt der Kampagne zog der Narren-Express des Eltviller Carneval Vereins, mit Prinz Yannick Haas an der Spitze, durch die närrisch geschmückte Rheingauhalle.
Mit kindlichem Charme ließ die Mini-Prinzengarde das Narrentum hoch leben und bezauberte das Publikum. Das Eis musste sie nicht brechen. Für gute Stimmung hatte schon Matthias Bleul gesorgt, der dieses Mal im Elferrat präsidierte, während sich Dr. Leo Gros von Krankheit geschwächt für seinen Auftritt schonen musste.
Die drei großen ‘S’ in der Pfanne, rührt Harlekin Heinz-Günther Haas aus ‘Steuern, Schulden, Staat’ ein witziges Narrenmahl und leuchtet den Politbossen heim, nach deren Wahl oft nur die Frage bleibe, ‘ob man beim Wechsel doch nur Nieten zieht.’ Mit viel Elan bringen die Garde und das Modern-Ballett, von Daniela Choquet trainiert, das Narrenschiff in Schwung.
Mit Kokolores, wie ihn das Leben schreibt, grüßen Horst Haas, Alfred Giehl und der erstmalig auf der Bühne stehende Andreas Michel als ‘Rheinadel’, während die ‘Tratschweiber’ Irmgard Bleul und Irmgard Schermer sich nicht hinten herumheben lassen, damit sie auf der Erbacher Straße ‘den Hintern nicht abgefahren bekommen.’ Ebenso weiß auch der ‘Rentner’ Siegfried Schön die Beipackzettel der Politik ganz genau zu lesen.
Schon stehen die Kinder-Clowns und Sugar Stars am Bühnenrand, um mit ihrem Tanz Begeisterungsstürme auszulösen. Seit Oktober hatten sie mit Belinda Höber und Katja Bleul trainiert, die sich bereits der Mini-Prinzengarde angenommen hatten. Während sie aus der Welt des Zirkus mehr und mehr verschwinden, hier bringen die Clowns die Narrhalla auf Zack.
Ganz in den Bann des Feiertagsreigen geschlagen – die Kindergruppe. In Worten von Leo und Musik von Markus Gros taumelt die Jugend von Fest zu Fest. Auch hier, wie könnte es bei dem Professor, der die Texte schrieb, auch anders sein, steckt zwischen den Zeilen viel Wahres über den zeitgeistigen Konsum- und Spaßrausch.
In seinem eigenen Vortrag sollte der philosophische Klang des Narrenspruchs noch viel deutlicher zu Tage treten. Als Sanitäter im Notfalleinsatz legt der Meister des gewitzten Wortes so manches Zeitgeschehen auf die Trage, um es spitzzüngig zu diagnostizieren. Auch wenn die ‘Diagnose nicht kommunizierbar’ ist, weil keiner mehr die Wahrheit hören mag, fühlt Gros dem Deutschen Michel den Puls. Dieser liegt, weil er die Latte von Maastricht gerissen hat, mit Abschürfungen am Bein danieder. Auch Frau Wirtschaft befindet sich in verzwickter Lage. Doch noch ist Hoffnung. Denn hängt die Wirtschaft auch am Tropf, so hat sie doch immerhin ‘noch eine Flasche über sich.’ Dem dialektischen Denken einigen Spaß abgewinnend, kitzelt der Sani die wichtigsten Symptome hervor und verteilt auch großzügig ein Rezept zur Abhilfe: Es könne auch ein kleiner Narr Entscheidungen treffen, selbstständig denken, fühlen und ‘wissen, wofür’ – und nicht mehr nur worauf ‘er steht.’
Gleichfalls der literarischen Fastnacht den Hof machend, kommentieren die ‘Kellergeister’, von Bernd-Hans Gietz am Klavier begleitet, in Couplets das Weltgeschehen. Am Ende erntet die zu Sinatras ‘My Way’ in volltönendem Bass von Volker Nassenstein gesungene Hommage an den Jubiläumsverein stehenden Applaus. Reicht auch der Brauch, dem Narren seine eingeborene Freiheit zu lassen, weiter zurück als bis 1948, in der Sekt- und Rosenstadt ist er doch auf seinem Wege jung geblieben.
Quelle: Wiesbadener Tagblatt